Hauptseminar: Der Deutsch-Französische Krieg und die Pariser Kommune, 1870/71–2020/21: Bedeutung, Rezeption, Erinnerung

Zeit: Montag, 16-18 Uhr, Beginn: folgt, Online-Veranstaltung

Der Krieg von 1870/71 steht meist im Schatten des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Als erster von drei großen Kriegen zwischen Deutschland und Frankreich in nur 70 Jahren ist er aber in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen. Nicht nur führte er zur Gründung eines deutschen Nationalstaats und in Frankreich zum Sturz des Kaiserreichs und zur Verankerung der Republik. Auch ließ er den Mythos von der deutsch-französischen „Erbfeindschaft“ entstehen, der die Beziehungen zwischen beiden Ländern nachhaltig prägte. Durch die deutsche Annexion Elsass-Lothringens schuf er einen dauerhaften Zwist im und um den Grenzraum. Schließlich mündete er in die Erhebung der „Pariser Kommune“, die oft als erstes sozialistisches Experiment gehandelt wird. Die Kommune und ihre blutige Niederschlagung im Mai 1871 wurden zu einem zentralen Erinnerungsort der Arbeiterbewegung, auf den sich Generationen von Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen und Feminist*innen gleichermaßen bezogen.
Die Ereignisse jähren sich 2020/21 zum 150. Mal. Das Hauptseminar nimmt die Jahrestage zum Anlass, um die zeitgenössischen Zusammenhänge und ihre historische Bedeutung, aber auch die Wirkungs- und Erinnerungsgeschichte bis heute multiperspektivisch zu untersuchen. Unser Blick richtet sich auf die nationale und internationale Politik, die zeitgenössischen Gesellschaften in Frankreich und Deutschland, den Krieg selbst („Totalisierung“?, Gesellschafts-, Erfahrungs- und Kulturgeschichte des Krieges), Medienberichterstattung, Pariser Kommune und Arbeiterbewegung, Grenzregionen, Nation und Nationalismus, Erinnerung und Gedenken in der Dritten Französischen Republik und im Deutschen Kaiserreich sowie die langfristige Bedeutung für die deutsch-französischen Beziehungen und die Erinnerungskultur bis 2020/21, besonders am Beispiel von Denkmälern und Jahrestagen. Die Veranstaltung bietet eine hervorragende Möglichkeit zur Einübung vergleichender, transfer- und beziehungsgeschichtlicher Ansätze.
Vorausgesetzt werden Grundkenntnisse Französisch sowie die Bereitschaft, sich über deutsche und englische Texte hinaus auch mit Quellen und Literatur in französischer Sprache auseinanderzusetzen. Sprachnachweise können erbracht werden in Französisch und Englisch. Die Veranstaltung findet online statt.

Einführende Literatur:

  • Mareike König/Élise Julien: Verfeindung und Verflechtung. Deutschland und Frankreich 1870-1918 (WBG-deutsch-französische Geschichte, Bd. 7), Darmstadt 2019: Kap. I, 1 und Kap. II, 4.
  • Milza, Pierre: L'année terrible, Teil 1: La guerre franco-prussienne (septembre 1870-mars 1871), Teil 2: La Commune (mars-juin 1871), Paris 2009.
  • Epkenhans, Michael: Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871, Ditzingen 2020.
  • Robert Tombs: The Paris Commune 1871, London 1999 (franz. 2014).
  • Mathilde Benoistel/Sylvie Le Ray-Burimi/Christophe Pommier (Hg.): France Allemagne(s) 1870-1871. La guerre, la commune, les mémoires, Paris 2017.
  • Tobias Arand (Hg.): „Der großartigste Krieg, der je geführt worden“. Beiträge zur Geschichtskultur des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71, Münster 2008.
  • Jörg Fisch: Europa zwischen Wachstum und Gleichheit. 1850-1914, Stuttgart 2002.