Hauptseminar: Das Frankreich der Dritten Republik im europäischen Kontext, 1870-1918


Montag 14-16 Uhr, Raum: GA 04/149, Beginn: 09.04.2018, Dozent: Jun.-Prof. Dr. Fabian Lemmes

Wer die politische Kultur und Gesellschaft in Deutschlands wichtigstem Partnerland verstehen will, muss mindestens bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 wurde Frankreich zum dritten Mal in seiner Geschichte – und nunmehr dauerhaft – Republik. Dass die Dritte Republik sich zum bisher langlebigsten politischen Regime der französischen Geschichte seit 1789 entwickeln würde, war keineswegs abzusehen, denn sie entstand zunächst nur als Provisorium und blieb lange Zeit umkämpft. Das Seminar nimmt die ersten Jahrzehnte der Dritten Republik bis zum Ersten Weltkrieg in den Blick, in denen sich das republikanische Regime durchsetzte und Frankreich zur ersten großen parlamentarischen Demokratie in Europa wurde. Unter Rückgriff auf Erbe und Symbolik der Französischen Revolution schufen die Republikaner einen weitreichenden Konsens, der „Republik“ und „Nation“ gleichsam miteinander verschmolz. Zugleich entstanden die moderne Massenpresse, das zweitgrößte Kolonialreich nach dem British Empire, die Arbeiterbewegung und die Grundlagen des Parteien- und Gewerkschaftssystems.
Das Hauptseminar soll erstens einen Überblick über die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in Frankreich von 1870 bis 1918 geben, diese zweitens durch Vergleiche und Verflechtungsanalysen in den europäischen und globalen Kontext einbetten und drittens die hergebrachten Meistererzählungen zur Dritten Republik mit neueren Forschungsergebnissen und Debatten konfrontieren. Als privilegierter, aber nicht alleiniger Vergleichspunkt wird uns dabei die Entwicklung in Deutschland dienen. Neben bereits genannten Aspekten sollen die Themen Pariser Kommune, sozialer Protest und politische Gewalt, Anarchismus und Sozialismus, Medien und Öffentlichkeit, Katholizismus und Antiklerikalismus, Migration, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, Nationalismus und Kolonialismus und deutsch-französische Beziehungen behandelt werden. Da zeitgenössische Buchpublikationen und Presseberechterstattung für Frankreich in großem Umfang digitalisiert vorliegen, ist in vielen Bereichen ein quellennahes Arbeiten möglich.
Teilnahmevoraussetzung: Erwartet werden daher Grundkenntnisse der französischen Sprache (Leseverständnis genügt) und die Bereitschaft, sich neben deutscher und englischer Forschungsliteratur auch mit französischsprachigen Quellen und Aufsätzen auseinanderzusetzen. Ein Sprachnachweis Französisch kann durch die erfolgreiche Belegung der Veranstaltung daher automatisch erworben werden.

Besonders zu beachten:
Grundkenntnisse Französisch werden erwartet.

Sprachnachweise können erbracht werden in Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch.

Einführende Literatur
• Engels, Jens Ivo: Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik (1870–1940), Köln 2007
• Duclert, Vincent: La République imaginée. 1870-1914 (Histoire de France, [11]), Paris 2010.
• Gildea, Robert: France, 1870-1914, London/New York ²1996.
• Haupt, Heinz-Gerhard (Hg.): Kleine Geschichte Frankreichs, Stuttgart 2006.
• Caron, François: Frankreich im Zeitalter des Imperialismus 1851-1918 (Geschichte Frankreichs, hg. von Jean Favier, 6), Stuttgart 1991.