Historisches Institut » Europäische Geschichte » Lehre » Wintersemester 2012/13

Hauptseminar: Unfreie Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert

Do 16-18 Uhr, Raum GABF 05/707, Beginn: 11.10.2012, Dozent: Jun.-Prof. Dr. Fabian Lemmes

So unterschiedlich sie den "freien" Charakter von abhängiger Lohnarbeit beurteilten, teilten Marx und viele seiner liberalen Zeitgenossen die Überzeugung, dass mit dem Siegeszug des Kapitalismus unfreie Arbeitsformen wie Sklaverei und Frondienst zunehmend verschwinden und durch Lohnarbeit ersetzt würden. Blickt man auf die Entwicklung der letzten beiden Jahrhunderte, lässt sich zwar in der Tat ein Rückgang unfreier Arbeit beobachten, doch ist diese keineswegs aus der Geschichte verschwunden. Vielmehr sind bis zum heutigen Tag immer wieder unfreie Arbeitsverhältnisse entstanden. Unter welchen Bedingungen dies der Fall war und ist und was "freie", "unfreie" und "Zwangs"-Arbeit überhaupt bedeuten, will das Seminar ergründen. Hierfür werden ausgewählte Arbeitsregime des 19. und 20. Jahrhundert in ihrer rechtlichen, ökonomischen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Dimension vergleichend untersucht. Gefragt wird insbesondere nach dem Zusammenhang zwischen der Veränderung von Arbeitsverhältnissen einerseits und kapitalistischer Expansion, kolonialer Herrschaft, Kriegs- und Besatzungssituationen andererseits.

Ein besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die Entwicklung in Deutschland, unser Blick ist jedoch grundsätzlich europäisch und global. Betrachten werden wir etwa die Sklaverei in den Südstaaten der USA, Brasilien und der Karibik, feudale Formen unfreier Arbeit, welche in Europa zum Teil bis ins 20. Jahrhundert fortbestanden, koloniale Zwangsarbeit in Afrika und Asien, Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und ausländischer Zivilbevölkerung im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Arbeitsdienste in der Zwischenkriegszeit, Häftlings- und KZ-Arbeit, Zwangsarbeit in der Sowjetunion unter Stalin, aber auch die Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses in der Bundesrepublik und in der DDR sowie zeitgenössische Formen von Zwangsarbeit.

Sprachnachweise können erbracht werden in Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch.


Einführende Literatur:

  • Tom Brass / Marcel van der Linden (Hg.): Free and unfree labour. The debate continues, Bern 1997.
  • Herrmann-Otto, Elisabeth (Hg.): Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse von der Antike bis in die Gegenwart. Eine Einführung, Hildesheim/Zürich/New York 2005.
  • Jochen Meißner / Ulrich Mücke / Klaus Weber: Schwarzes Amerika: Eine Geschichte der Sklaverei, München 2008.
  • Fabian Lemmes: Ausländereinsatz und Zwangsarbeit im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Neuere Forschungen und Ansätze, in: Archiv für Sozialgeschichte 50 (2010), S. 395-444.
  • Suzanne Miers: Slavery in the twentieth century. The evolution of a global problem, Walnut Creek, Calif./Oxford 2003.
  • Suzanne Miers / Martin Klein(Hg.): Slavery and colonial rule in Africa, London u.a. 1999.